Helmut Sinn - Geschichte der deutschen Uhrmacherlegende
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Helmut Sinn (* 3. September 1916 in Metz, Lothringen; † 14. Februar 2018 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Pilot, Instrumenten- und Kunstfluglehrer, Luftfahrtsachverständiger und Unternehmer. Sinn gründete 1961 in Frankfurt am Main eine Uhrenfirma unter seinem Namen und vertrieb selbstentwickelte Armbanduhren, vor allem mechanische Chronographen. Er verkaufte das Unternehmen Helmut Sinn Spezialuhren im Jahr 1994 und erwarb 1995 den Schweizer Uhrenhersteller Guinand. Sinn galt als Ausnahmepersönlichkeit in der Uhrenbranche und war bis ins hohe Alter noch unternehmerisch und erfinderisch tätig. Er wurde auch „der schnelle Helmut“ genannt.
Kindheit und Kriegsjahre
Sinn, geboren 1916, kam 1918 als Flüchtling mit seiner Familie in die Pfalz. Durch den nahegelegenen Flugplatz Speyer entwickelte Sinn schon als Kind eine Faszination für Flugzeuge. Dadurch kam er schon im frühen Alter von sechs Jahren zu dem Berufswunsch Pilot[2] und wurde deswegen, nach seinen eigenen Worten, ausgelacht.[3]
Mit 18 Jahren kam er zum Reichsarbeitsdienst und lernte dort das Segelfliegen. Dabei flog er auch den berühmten „Schädelspalter“, das Trainings-Segelflugzeug Grunau 9, an dem Berg Wasserkuppe in der Rhön. Danach kam Sinn zur Luftwaffe und erwarb von 1936 bis 1938 alle Piloten-Lizenzen. Er wurde zum Kriegsdienst verpflichtet und machte Dienst in einem Aufklärungsgeschwader. Über diese Zeit sagte er:
„Unter anderem war ich Aufklärer, beobachtete aus der Luft die fliehenden Engländer in Dünkirchen. Später Russland. Ich musste mit der Ju 88 landen, durch eine Wolkendecke, die aber am Boden auflag! Als ich durchstarten wollte, um zu steigen, soff der rechte Motor ab. Wir haben es überlebt, aber ich war so schwer verletzt, dass ich danach kein Kriegsflieger mehr war, sondern bei der Luftwaffe Fluglehrer wurde, Instrumentenflug unterrichtete. Bin alles geflogen, was damals da war.“
Der Absturz geschah über sowjetischem Gebiet. Er wurde schwer am Rücken verwundet und verlor beide kleinen Finger. Trotzdem war er danach als Fluglehrer tätig, vor allem auf Heinkel He 70, JU 52 und der Ju 88.Nach dem Krieg war Sinn Kriegsgefangener in einem der so genannten Rheinwiesenlager der Alliierten und wurde noch 1945 mit Tuberkulose entlassen.
Erste unternehmerische Aktivitäten nach dem Krieg
Nach Kriegsende durfte der leidenschaftliche Pilot aufgrund eines von den Alliierten verhängten Flugverbots nicht mehr fliegen, dazu kamen gesundheitliche Gründe. Sinn suchte eine berufliche Betätigung. Er besorgte sich im Schwarzwald Kuckucksuhren und verkaufte sie mit Gewinn an US-Amerikaner. Mit dem Gewinn aus seinen Uhrengeschäften richtete er sich die erste Uhrenwerkstatt ein. Ende der 1940er Jahre hatte er seinen eigenen Uhrenhandel in Frankfurt am Main aufgebaut. Er baute funktionale Uhren (Einsatzuhren) für Piloten und Fluglehrer und brachte sie direkt zum Kunden. Seine Marketingstrategie war „Möglichst gut und zugleich günstig“. Helmut Sinn erklärte später, dass die Wahl der Uhrenbranche auch rein pragmatischen Überlegungen entsprang: „Ich hatte keinen Beruf. Ich habe etwas gesucht, was nicht viel Platz und wenig Material brauchte.“
Luftfahrt-Bordinstrumente
In Frankfurt begann er in den 1950er Jahren auch mit der Entwicklung und Herstellung von Flugzeug-Borduhren für die Bundeswehr. Sein Unternehmen hatte eine Ausschreibung gegen den etablierten Uhrenhersteller Junghans gewonnen. Mit Sinn-Uhren wurden unter anderem Bell UH-1D, Alpha Jet, F-104G Starfighter, F-4E Phantom, MRCA Tornado und später der Eurofighter ausgestattet. Auch internationale zivile Fluggesellschaften interessierten sich bald für seine Uhren. In den 1970er Jahren waren die Lufthansa-Maschinen der Typen Boeing 707, 727 und 737 mit Borduhren von Sinn ausgestattet. Nach Helmut Sinns Angaben wurden 600 von ihm produzierte Borduhren in Cockpits der Lufthansa eingebaut.
Sinn Spezialuhren
1956 begann Helmut Sinn mit der Entwicklung seines ersten Flieger-Chronographen, einer Armbanduhr mit Stoppuhr-Vorrichtung. Das Design war bewusst stark an Flugzeug-Borduhren angelehnt. Für diese Uhren entwickelte er Design-Leitlinien, die vor allem hohe Funktionalität, beste Ablesbarkeit und hohe Qualität umfassten.
Er gründete 1961 in Frankfurt-Rödelheim die Uhrenmanufaktur Helmut Sinn Spezialuhren (heute: Sinn Spezialuhren), die zunächst weiterhin selbstentwickelte funktionale Uhren für Piloten und Fluglehrer herstellte. Sinn erfand zahlreiche technische Neuheiten für seine selbstentwickelten mechanischen Armbanduhren. Die Firma produzierte später vor allem hochwertige Chronographen, die unter den Marken Sinn Spezialuhren und Chronosport im damals ungewöhnlichen Direktvertrieb, also Verzicht auf den Zwischenhandel, an Endkunden verkauft wurden. Dadurch konnte Sinn eine kundenfreundliche Preisgestaltung erzielen, da die Handelsmarge des Zwischenhandels entfiel.
Sinn-Uhren im Spacelab
1985 trug der deutsche Astronaut Reinhard Furrer während der Spacelab-Mission STS-61-A eine Sinn „142 S“ am Handgelenk und brachte damit einen automatischen Chronographen ins Weltall. Auch bei den beiden anderen Spacelab-Missionen trugen die deutschen Astronauten Reinhold Ewald und Klaus-Dietrich Flade jeweils Sinn-Uhren.
Verkauf an Nachfolger und Rechtsstreit
Sinn verkaufte das Unternehmen 1994 inklusive der Markenrechte an Lothar Schmidt, einen Ingenieur und langjährigen leitenden IWC-Mitarbeiter. Im Jahr 2012 äußerte er gegenüber der FAZ: „Ich habe gedacht, ich könnte trotzdem weiter mitarbeiten.“ Doch darüber sei es zum Streit gekommen. Helmut Sinn zog vor Gericht und verlor, was ihn lange verbitterte.[6] Ende 2012 äußerte er zudem in einem Interview, dass er bei diesem Rechtsstreit, der mehrere verschiedene Gerichtsverfahren umfasste, sein „gesamtes Geld“ verloren habe und sogar einen Kredit habe aufnehmen müssen.[7] In wesentlichen Punkten des damaligen Rechtsstreits widersprechen sich die öffentlich zugänglichen Sachaussagen von Schmidt und von Sinn